Donnerstag, 15. November 2007

Schützengraben, Antiquariat und Chicken Curry

Nun bin ich also wieder allein… es ist Mittwoch Abend und mein Schatz sitzt wohl hoffentlich gut behalten in einem Flugzeug, das ihn zurück auf den Kontinent bringt. Es sind einige Tränchen gekullert beim Abschied und doch war es wunderschön, ihn wieder bei mir zu haben. Ich bin so unendlich dankbar dafür, dass wir uns haben und habe diese Tage unglaublich genossen.

Seit Tagen war ich aufgeregt, immer wieder habe ich die Tage gezählt, bis Bernd und ich wieder beieinander sein können. Es ist wirklich mittlerweile richtig schön hier und vor allem Janchen und meine und ihre flat mates sind der Grund dafür, dass ich mir hier richtig gut fühle. Desto schlimmer ist es, keine richtige Verbindung zur Außenwelt zu haben und nicht alles mit euch teilen zu können. Ich fühle mich in meinem zu Hause schon sehr abgekapselt, vor allem da ich sonst (wer mich kennt, wird müde nicken) permanent im Internet bin und kaum etwas lieber tue als zu skypen und meine Mails zu checken. Und so fühle ich mich in dieser Hinsicht furchtbar vom Weltgeschehen isoliert, auch wenn wir mittlerweile einen Fernseher (und somit die Möglichkeit dem göttlichen Stephen Fry zuzuschauen!) haben. Es tut mir auch furchtbar leid, ich weiß, dass ich in den letzten Tagen vieles sehr habe schleifen lassen und wirklich wichtige Dinge vergessen habe… dafür möchte ich mich noch einmal entschuldigen. Ich bin einfach noch nicht hundertprozentig durchorganisiert und hangele mich eher von (schönem) Tag zu Tag. Ich hoffe, ihr verzeiht mir noch einmal und habt mich trotzdem lieb? Hier kommt dann auch mein bisher einziger Weihnachtswunsch… ein (im besten Fall bereits mit Daten gefüllter, blinkender, gut riechender, vielleicht pinker?) Geburtstags-und-ewig-über-alles-Wichtige-Überblick-gebender-Kalender…


Jetzt zurück zu den letzten Tagen und so zu der vermeintlich kryptisch-postmodern anmutenden Schlagzeile.


Donnerstag Abend macht ich mich per tube auf den Weg zur Liverpool Street und schon beim Blick auf die massive permanent blinkende Anzeigetafel liefen mir Tränen der Vorfreude die Wangen runter. Ich muss ein merkwürdiges Bild abgegeben haben – mit einer roten Rose in der Hand und ständig den Tränen nahe. Ein unglaublich schöner Moment war dann das (gefühlt) ewige Umarmen meines Schatzes und reziprok kurz (Zeit ist relativ…) die Heimfahrt nach Ealing.










Nach einem wundervollen Abend ging ich also Freitag in die Schule und unterrichtete leider nur bis zur 4. Stunde, weil ich mich danach per Taxi nach Hause transportieren lassen musste. Meine Rückenschmerzen waren dann auch ausreichend um Bernd und mich zum Ealing Hospital zu bewegen – also überquerten wir die Straße und standen fix in der Notaufnahme. Well, der Arzt drehte mir ein Rezept über ein paar wohl abhängig machende (und daher nicht von mir besorgte) Schmerztabletten in die Hand, doch mittlerweile bin ich glücklicher Weise auch ohne dieselben wieder einigermaßen fit. Dementsprechend ließen wir es dann in den nächsten Tagen auch eher ruhig angehen.


Der Sonntag begann englisch-traditionell mit einem Überraschungs-roast dinner im New Inn. Keiner, auch Kiri nicht, weiß warum es „dinner“ heißt, wenn man es doch gen Mittag zu sich nimmt? Jedenfalls gehört dazu wohl ein riesiger Teller mit roast beef, Gemüse, einem Yorkshire Pudding und Gravy. Lecker!

Sonntag Abend dann hatten wir Nick (aus Janchens WG) und Jana zu Besuch. Bernd und ich bereiteten also Chicken Curry zu und machten uns einen schönen Abend. Kiri wäre auch gern dabei gewesen, doch leider tourte sie mit einer Rugby-Mannschaft durch die schottischen Highlands! Und Mark musste sein Curry leider pürieren (und ich spare die genaue Beschreibung aus…), da er sich den Kiefer bei einem Fahrradunfall 2x gebrochen hat. Dennoch war es ein sehr lustiger und wiederholenswerter Abend, auch wenn Julie (frz. Assistentin in Northolt) und Dave leider nicht kommen konnten.

Montag Abend dann war es endlich so weit – wir haben es tatsächlich zum ersten Mal seit 2 Monaten geschafft, Q.I. (Abk. für Quite Interesting, Sendung im Stil von Genial daneben mit Stephen Fry als Moderator und wechselnden Comedy-Gästen) anzuschauen… so viel zum Thema Leene und Organisation. Doch es war göttlich…

Bernd zog es Dienstag sehr ins Imperial War Museum und auch wenn ich denke, dass dieses eher für Jungs gemacht ist (Panzer, U-Boote und Kanonen) ließ ich mich in den künstlichen Schützengraben entführen, der sich in den Katakomben des IWP befindet. Ein merkwürdiges Gefühl, mitten in London. Auch die Nazi-Intarisien samt authentischen SA-Uniformen und einer Ausgabe von „Mein Kampf“ trugen nicht unbedingt dazu bei, dass man sich dort als Deutscher unbefangen bewegen konnte – nicht zu vergessen die große Holocaust-Ausstellung im Obergeschoss… doch das ist ein ganz eigenes, großes Kapitel und wir haben hier schon einige, höchst unterschiedliche Meinungen zum Thema 3. Reich gehört – von (einem nicht böse gemeinten) „Ihr dürft das nie vergessen, nie! Und es ist so wichtig, sich immer wieder damit zu befassen, du bist ja Deutsche.“ bis zu Kiris „Hey, was ist eigentlich los mit euch Deutschen? Es ist so f***ing lange her, also get over it!“. Kiri übrigens war erstaunt, dass ich den SPIEGEL hier habe, was sie dann auch zu der Frage führte, warum eigentlich alle Deutschen den SPIEGEL lesen, wenn das doch ein p o l i t i s c h e s (=langweiliges) Magazin ist, denn bei ihrer ehemaligen Austauschschülerin Chrissi aus Stuttgart wird auch immer derselbige gelesen. Ich denke, das hat durchaus auch etwas von Schuldkompensation wenn wir Deutschen uns mit Politik befassen und damit auch den kritischen Journalismus hochhalten.


Doch ich schweife ab (wie jener zamonische Meisterdichter :-)) und so trieb es uns, vorbei an dem Hotel, indem Onkel Bombe, seine Liebsten und ich 2003 diese wundervolle Londonwoche verbracht haben, die mit dazu bei getragen hat, dass ich unbedingt zurück wollte (übrigens, gibt es wohl kein Snapples mehr, Bombi?!), in einen Bus Richtung Oxford Circus, vorbei an der königlichen Garde zu Pferd. Nach einem gemütlichen Mittag (kann man mich bitte in der Zukunft von banoffee pies fernhalten?) verschlug es uns in die Bücherstraße Charing Cross Road. Übrigens ist Busfahren in London, wenn man den die Muße hat, viel schöner und atmosphärischer als per tube zu reisen, weil man viel mehr zu Gesicht bekommt und auch Entfernungen besser einschätzen kann. Merkwürdige Gestalten begleiteten uns dann in der Charing Cross Road in die verworrenen, mit seltenen Ausgaben und abgegriffenen paperbacks vollgestellten labyrinthartigen Antiquariatsgänge. So bin ich nun stolze Besitzerin einiger englischer Gothic Novels aus dem 18. und 19. Jahrhundert - wenn auch bei Weitem keine Erstausgaben, sondern mit Blick auf meine Geldbörse moderne Taschenbücher… kurzum, ich vermisse meinen Bücherschrank hier schmerzlich, denn auch wenn man nicht immer und ständig lesen kann, so fühle ich mich immer wohler in Zimmern mit Büchern. Wie jetzt. Und daher lese ich jetzt noch ein paar Zeilen und lasse euch nun mit einem Gute-Nacht-Küsschen zurück. Eure Leene

1 Kommentar:

Bernd hat gesagt…

so, 666 is the number of the beast.
And what is 616 - it´s the fax number of the beast (Stephen Frey) ;-)